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Neue Rahmenbedingungen für geistiges Eigentum im Internet

Die Zusammenarbeit aller öffentlich-privater Stakeholder ist erforderlich, um sichere Verhältnisse im virtuellen Raum zu schaffen.


Berlin, Wien, Zürich 6. Mai 2013. „Es herrscht ein unfairer Wettbewerb, wo positive Entwicklungen in der Kreativwirtschaft systematisch dadurch untergraben werden, dass kreative Inhalte von Dritten ohne Zustimmung und auf Kosten der Kulturproduzenten im Internet vermarktet werden.“ Dieses Fazit zogen die deutsche Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU), der österreichische Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP) und die schweizerische Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie (SAFE) auf dem 6. DACH-Strategiemeeting, das vor kurzem in Salzburg stattfand. Gastgeber Ferdinand Morawetz, Präsident des VAP, erläutert: „Dabei verdienen sowohl illegale Anbieter als auch reguläre Wirtschaftsunternehmen, wie zum Beispiel Google an der unerlaubten Verwertung im Internet, ohne in diese Inhalte zu investieren und ohne Künstler und Produzenten, welche die Inhalte herstellen, zu entlohnen.“

Gemeinsam fordern GVU, VAP und SAFE von Politik und Wirtschaft daher konkrete Handlungsvorschläge:

1. zur Wahrung der Rechte der Kreativschaffenden auf Verdienst und Selbstbestimmung,
2. zur Schaffung einer verlässlichen und sicheren Umgebung für Nutzer und Anbieter und
3. zum Ausgleich der Marktchancen, damit legale Verwertungsmodelle Fuss fassen können.

Diese Forderungen werden auch von der Bevölkerung getragen: Aus zwei aktuellen Studien[1] geht hervor, dass das Recht auf Verwertung und Vergütung für Kulturschaffen weitgehend anerkannt wird. Mehr als zwei Drittel der Konsumenten haben Verständnis für Massnahmen der Kreativwirtschaft zum Schutz ihrer Produkte. Insbesondere gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Erwägungen erfordern die Schaffung von Rahmenbedingungen und die Umsetzung von Gesetzen zur wirksamen Eindämmung von illegalen gewerbsmässigen Internetangeboten, die systematisch Urheberrechte, Jugendschutz-, Medien-, E-Commerce- und Steuergesetze verletzen.

Richtlinien und Standards für Werbung im Internet
Werbung stellt eine Haupteinnahmequelle für Betreiber illegaler Internetangebote dar. Dies zeigen auch Studien.[2] Dazu missbrauchen solche kriminellen Betreiber urheberrechtlich geschützte Inhalte, die sie ohne Entlohnung oder Erlaubnis der Künstler und Hersteller im Internet öffentlich zugänglich machen. Geld verdienen die Kriminellen nicht zuletzt durch Vermietung von Werbeplätzen auf ihren illegalen Angeboten. Filme, Games, E-Books und Musik fungieren dabei als Vehikel, um über Werbung Geld zu verdienen. Da die Betreiber solcher Seiten ihre Werbeplätze häufig an Anbieter von dubiosen Diensten sowie Abzockangeboten vermieten, beuten sie neben den Kreativen und Rechteinhabern zusätzlich die Nutzer aus. Dies schädigt Ansehen und Glaubwürdigkeit der Unternehmen und Produkte der Kreativwirtschaft, die vom Nutzer mit diesen rechtswidrigen und fragwürdigen Praktiken in Verbindung gebracht werden. Sofern Werbemittel von namhaften Unternehmen auf den illegalen Seiten zu finden sind, findet auch hier ein negativer Imagetransfer statt.

Im gesamten deutschsprachigen Raum und auch darüber hinaus sind sich Kreativ- und Werbewirtschaft daher im Grundsatz einig, dass die Finanzierung von rechtswidrigen Angeboten abzulehnen ist. Die Umsetzung der notwendigen Verbannung der Werbung von illegalen Websites ist allerdings noch nicht geglückt. GVU, VAP und SAFE fordern deshalb eine eindeutige gleichlautende Position von der Politik. Dazu Morawetz: „Niemand würde auf die Idee kommen, in der analogen Welt Werbung in einem bedenklichen Umfeld zu platzieren. Genau das tun Unternehmen immer wieder im Internet – ob bewusst oder unbewusst. Das Internet ist keine Parallelwelt, sondern ein Teil unserer Gesellschaft. Alle Stakeholder müssen im Sinne der Verantwortlichkeit handeln.“

Existierende Rechtsnormen durchsetzen
Zum Rechtsschutz im Internet existiert zwar international, supranational und national eine Reihe von Normen, die Regelungen im Bereich Leistungsschutz, Presse, Medien, Internethandel sowie Telekommunikation und Mediendienste festschreiben und grossen Teils auch untereinander harmonisieren. Teilweise sind diese Regelungen jedoch entweder nicht vollständig umgesetzt oder werden innerstaatlich nicht durchgesetzt. Dies gilt beispielsweise für Deutschland und Österreich bei dem im EU-Recht verankerten Auskunftsanspruch der Rechteinhaber. Dieser scheitert teilweise an einem Mangel an dafür notwendigen Kundendaten, da in Deutschland und Österreich Internet Service Provider gesetzlich nicht zu einer Speicherung dieser Daten verpflichtet sind. Dazu VAP-Generalsekretär Werner Müller: „Das Ziel dabei ist die konsequente Verfolgung und Bestrafung illegaler Anbieter im gewerblichen Ausmass.“ Geschäftsmässige Internetkriminalität müsse von den Vermittlern beachtet, unterlassen und nötigenfalls unterbunden werden, sobald sie davon Kenntnis erlangen. Müller betont ausdrücklich: „Dies ist die Minimalforderung und bedeutet weder Monitoring-Verpflichtung und schon gar kein Einblick in sensible Verkehrsdaten.“

Bei illegalen Angeboten, die auf Internetservern in Ländern mit besonders schwacher Rechtsdurchsetzung abgespeichert werden und dadurch einem Zugriff der nationalen Rechtsdurchsetzung entzogen werden sollen, konstatiert Müller: „So ungern dies auch vielerorts gehört wird: Gerade in einem so internationalen Umfeld, wie im derzeitigen World Wide Web sind die im nationalen Feld zwangsläufig agierenden Internet Service Provider mit entsprechenden Rechten, aber auch Pflichten auszustatten.“ Auch wenn ein Server nicht im Inland stehe, so der VAP-Generalsekretär weiter, müsse es möglich sein, gegen rechtsverletzende Angebote vorzugehen – etwa durch die Erschwerung des Zugangs zu solchen illegalen Seiten.

Haftungsprivilegierung an den Ist-Zustand anpassen
Der bestehende Rechtsrahmen war zu Zeiten seiner Entstehung in den 1990er-Jahren darauf gerichtet, eine geeignete Umgebung für die Entwicklung verschiedenster legaler Geschäftsmodelle auf allen Wertschöpfungsstufen des Internets zu bieten. Man ging damals davon aus, dass die verschiedenen, an der Online-Distribution von Inhalten beteiligten Anbieter voneinander unabhängige Geschäftsmodelle betreiben. Deshalb wurden auch die Verantwortungsbereiche juristisch sorgsam voneinander unterschieden. So ist etwa ein Hosting-Provider nicht für die Inhalte haftbar zu machen, die seine Kunden dort anbieten. Diese juristisch-theoretische Trennung der Verantwortungsbereiche geht an der heutigen Realität vorbei. Inzwischen haben weltweit etliche mit viel krimineller Energie Hosting-Angebote aufgebaut, auf denen illegal angeeignete Inhalte vorgehalten werden.[3]

Dr. Matthias Leonardy, Geschäftsführer der GVU weiss: „Unter den Host-Provider gibt es aktuell sehr unterschiedliche Anbieter. Unter anderem zählen auch Plattformen dazu, deren Betreiber ihr Geschäftsmodell auf Urheberrechtsverletzungen aufbauen. Dadurch fügen sie der Kreativbranche enormen Schaden zu. Kriminelle Betreiber von Online-Speicherdiensten belohnen illegales Uploaden und löschen, wenn überhaupt nur Links zu illegal verfügbar gemachten Inhalten, nicht jedoch die Inhalte selbst. Dabei besteht einerseits keine Verpflichtung der Host-Betreiber, die Identität derjenigen Kunden zu offenbaren, die sich rechtsverletzend verhalten. Andererseits sind die Betreiber von Online-Speicherplätzen von der Verantwortung für das Verhalten ihrer Kunden weitgehend entbunden. Hier muss nachgesteuert werden.“

Interessenskonflikt im Netz
Der Schutz des geistigen Eigentums ist Voraussetzung für die Entwicklung und Dynamik des Internets. Nicht die technische Entwicklung, sondern die Nachfrage nach Inhalten ist der Motor des Internets und der ITK-Branche. Der Grossteil dieser Unternehmen generiert Einnahmen durch die Verbreitung von kreativen Inhalten, möglichst ohne dafür zu bezahlen, ohne in diese Inhalte zu investieren und oft auch ohne Genehmigung der Rechteinhaber. Neben Anbietern der Werbewirtschaft, Suchmaschinen und Social Media Plattformen zählen auch Internet Service Provider zu den Wirtschaftszweigen, die am gesamten Datenverkehr verdienen. Dazu gehört auch das illegale Filesharing mittels BitTorrent, das europaweit mit 33,2 Prozent das meistgenutzte Protokoll ist.[4] Mindestens 95 Prozent der Inhalte in Bit-Torrent Netzwerken sind nach Erhebung namhafter Institute illegal.[5]

Dazu Roger Chevallaz, Sprecher der SAFE: „Leider beobachten wir, dass Teile der IT-Wirtschaft aus Eigennutz für eine Schwächung des Urheberrechts eintreten, vorhandene legale Geschäftsmodelle der Kreativwirtschaft systematisch bemängeln oder gar illegales Handeln relativieren. Es wäre aber ein konstruktives Mitwirken der ITK-Branche erforderlich, um ein sicheres Umfeld im Internet zu gewährleisten, in welchem Verbraucher und Unternehmen faire Marktchancen haben. Dafür engagieren wir uns.“

Über die GVU:
Die GVU ist eine von Unternehmen und Verbänden der Buch-, Film- und Unterhaltungssoftware-Wirtschaft getragene Non-Profit-Organisation und wird regelmässig ergänzend aus Mitteln der Filmförderungsanstalt gefördert. Ihre Aufgabe besteht in der Ermittlung von Verstössen gegen Leistungsschutzrechte ihrer Mitglieder nach dem Urheberrechtsgesetz und der Mitteilung dieser festgestellten Rechtsverstösse an die Strafverfolgungsbehörden. Darüber hinaus unterstützt die GVU die zuständigen Behörden bei der Durchführung von Strafverfahren sowohl in rechtlicher als auch in technischer Hinsicht. Sie fokussiert sich dabei auf die Betreiber urheberrechtsverletzender Dienste im Internet und deren Quellen. Die GVU leistet des Weiteren Informationsarbeit zum Urheberrecht durch Seminare und Vorträge bei Behörden, Bildungseinrichtungen und gesetzgebenden Körperschaften sowie durch die Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Inhalt und die Ergebnisse ihrer Arbeit und urheberrechtliche Problemstellungen. Schliesslich versteht sich die GVU als parteipolitisch neutraler Berater von politischen Entscheidungsträgern in Fragen des Urheberrechtsschutzes. Über den VAP:
Seit seiner Gründung 2003 setzt sich der "Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP)" engagiert für die Rechte von österreichischen Filmverleihern, Home-Entertainment-Unternehmen, Film- und Fernsehproduzenten, Zulieferer der Filmbranche und Kreativen ein. Der VAP versucht, die Filmpiraterie in Österreich im Wesentlichen auf drei Wegen einzudämmen. Einerseits wird durch Öffentlichkeitsarbeit und Werbung das Unrechtsbewusstsein der Konsumenten gefördert, andererseits wird kommerzielle Film-Piraterie, insbesondere in Form der Server- und Internetpiraterie und in Form des Hard-Good Selling auf Flohmärkten, usw gerichtlich verfolgt. Schliesslich wird durch Lobbying-Arbeit auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene angestrebt den Stellenwert von geistigem Eigentum bei den Politikern und Behörden anzuheben. Über die SAFE:
SAFE, die Schweizerische Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie, wurde 1988 als Selbsthilfeorganisation der Audiovisionswirtschaft gegen die Urheberrechtspiraterie gegründet. Sie dokumentiert Verletzungen des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte und leitet ihre Erkenntnisse an Rechteinhaber und Strafverfolgungsbehörden weiter. SAFE ist Teil eines internationalen Netzwerkes von Anti-Piraterie-Organisationen unter dem Dach der Motion Picture Association (MPA). In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) in Berlin kann SAFE auf das Know-how eines Teams von juristischen, kriminalistischen und technischen Experten zurückgreifen. [1] Wiggin Digital Entertainment Survey 2013, GfK Studie zur Digitalen Content Nutzung 2013
[2] z.B. BAE Systems Detica Studie: The Six Business Models for Copyright Infringement, 2012
[3] Laut der Considerati Metastudie aus 2011 betrifft 75% des Filehoster-Datenverkehrs illegales Material
[4] Sandvine Global Internet Phenomena Spotlight Europe, Spring 2011
[5] Considerati Metastudie